Warum Design auch ein bisschen mit Schauspielerei zu tun hat? Darauf geht Gerald Kiska im La Loupe-Interview ein, und hat noch viele weitere spannende Antworten parat. Spannend ist auch die Idee, die hinter „The Mozart“ steckt – einem Designhotel im Andräviertel, dem zwei kreative Frauen eine neue Identität gegeben haben.
„Wenn man nicht an die Grenzen geht, ist kein überraschendes Ergebnis möglich.“
Vor knapp 30 Jahren zog Gerald Kiska aus, um seine Leidenschaft für Design professionell auszuleben. Dabei wollte er nicht der nächste Autorendesigner werden, der seine Handschrift über alles gießt. Vielmehr setzte er es sich zum Ziel, Marken zu stärken und zu positionieren. Wie exzellent ihm das bis heute gelingt, unterstreichen nicht nur über 100 internationale Preise und Auszeichnungen. Im La Loupe-Interview spricht Gerald Kiska unter anderem über die Notwendigkeit, an Grenzen zu gehen, seine Berufskrankheit und was Design mit Schauspielerei zu tun hat.
L.L./ Seit 1990 gibt es Ihre Agentur bzw. Ihr Designbüro. Wie gehen Sie an ein Design heran, wie kann man sich diese Abläufe vorstellen? Vielleicht ein bisschen wie ein Schauspieler, der sich in eine neue Rolle einfindet?
G.K./ Es ist tatsächlich ein bisschen wie in der Schauspielerei. Das heißt, die Routine beschränkt sich darauf, dass es in einem Theater spielt – das ist aber auch schon alles. Die Aufgabenstellung ist jedes Mal neu und anders. Dem sollte man nicht mit Routine begegnen, sondern ganz im Gegenteil mit Kreativität.
L.L./ Wie lange dauert so ein Prozess?
G.K./ Das hängt sehr stark von der Komplexität ab. Aber ein Projekt dauert etwa zwischen 12 und 60 Monaten.
L.L./ Stichwort Design und Redesign – was muss dabei beachtet werden?
G.K./ Zusätzlich zum Design oder Redesign gibt es auch den Vorschlag – also das Design ohne Auftrag, sozusagen (lacht). Von daher ist der Prozess jedes Mal ein anderer. Grundsätzlich hängt es stark davon ab, wie viel schon vorgegeben ist und wie viel man in Frage stellen kann. Und auch, ob man mehr in Frage stellen kann als vielleicht ursprünglich gedacht. Wir versuchen immer, den Freiraum so groß wie möglich zu gestalten.
Der Routine wenig Platz zu geben. Das klingt jetzt vielleicht hart, aber in der Regel kommen Kunden ja zu uns, um neue Dinge zu kreieren, und nicht, um ausschließlich in der Vergangenheit zu kramen. Wobei Vergangenheit schon wichtig ist, die Geschichte eines Produkts. Man muss wissen, wo der Kunde herkommt und wo er heute steht. Deshalb ist auch nicht alles überall machbar. Man muss die Persönlichkeit der Marke, für die man arbeitet, respektieren.
L.L./ So wie bei Gasteiner Mineralwasser?
G.K./ Genau. Wasser ist ein unsichtbares und wenig unterscheidbares Produkt, auch wenn jede Wasserquelle ein bisschen anders ist. Das Ziel ist, möglichst viel Vertrauen in die Quelle zu generieren. In Gastein steht das Quellwasser der Alpen im Vordergrund – der alpine Ursprung. Schon in der Vergangenheit wurde der Bergkristall als Synonym für die Marke zitiert. Wir haben diese Idee wieder aufgegriffen. Früher stand die industrielle Reproduktion im Vordergrund. Das heißt, man hat das Wasser einfach in eine drehrunde Flasche gegossen. Wir haben aber gesagt, ein Kristall ist nicht symmetrisch. Ein Kristall ist asymmetrisch. Damit waren wir mitten in der Technologieentwicklung.
„Man muss die Persönlichkeit der Marke respektieren.“
Eine Herausforderung bestand im Pressglas an sich beziehungsweise in der Tatsache, dass ein asymmetrischer Glaskörper nicht gleichmäßig abkühlt. Dabei entstehen Spannungen im Glas. Das war ein langer Weg mittels der Trial-and-Error-Methode (lacht). Wir haben versucht, so viele natürliche Kristallformen wie möglich zu schaffen und gleichzeitig für die Produktion so wenig Probleme wie möglich zu generieren. Beim Bau der Modelle haben wir uns dann mit der Glasproduktion abgestimmt und um Millimeter gefeilscht, um das natürliche Kristallgefühl zu erhalten und die Kosten zugleich im Rahmen zu halten. Das zeigt, dass wir auch bei einem vermeintlich einfachen Produkt wie einer Glasflasche an die Grenzen gehen wollen, weil sonst kein überraschendes Ergebnis möglich ist.
L.L./ Mineralwasser ist ein Alltagsprodukt. Wann hat Design den Schritt in den Alltag gemacht?
G.K./ Heute geht es um das Erzählen von Geschichten. Marken sind dabei Ausdruck von Geschichten. Wann ist eine Marke eine Marke? Wenn Ihnen zum Begriff eine Geschichte einfällt. Design kann dieses Schreiben von Geschichten unterstützen, zum Ausdruck bringen und transparent machen. Das Produkt ist der beste Kommunikator dieser Geschichte, weil es am längsten bei Ihnen bleibt. Somit ist das Produkt der beste Geschichtenerzähler. Und je authentischer die Geschichte ist, je besser Sie sich daran erinnern können, umso leichter fällt die Entscheidung für eine Marke.
„Das Produkt ist der beste Geschichtenerzähler.“
L.L./ Erzählen Sie den Kunden auch noch etwas über Ihre Marke?
G.K./ Wir fragen ab, was andere über das jeweilige Unternehmen denken. Dafür haben wir vor 15 Jahren mit Research begonnen – heute haben wir ein eigenes Team, das rausgeht und das Fremdbild abfragt. Mittlerweile haben viele Unternehmen eine gewisse Distanz zu ihren Kunden entwickelt. Wir versuchen bewusst, uns da wieder näher heranzurobben und abzufragen, wie denn die Firma, die Marke, wirklich gesehen wird. Für uns ist das ein wertvoller Faktor, um Geschichten besser erzählen zu können.
L.L./ Ist Design heute noch Luxus?
G.K./ Design ist ein Schlachtfeld, dass man genau so professionell bedienen muss wie andere Faktoren der Marke. Unser Dienstleistungsangebot geht ja mittlerweile weit über das Produkt hinaus und hat sich auch in Richtung Kommunikation entwickelt. Für die meisten unserer Kunden sind wir auch für die Kommunikationsarbeit zuständig. Wer kann schließlich besser über ein Produkt sprechen als der, der es designt hat?
L.L./ Müssen Sie Ihren Kunden Ihre Designs manchmal erklären?
G.K./ (lacht) Voltaire hat einmal sinngemäß gesagt: „Jedes Ding, das eine Erklärung braucht, ist die Erklärung nicht wert.“ Beim Design ist es genau das gleiche.
L.L./ Stichwort Design als Hilfsmittel: Wie gehen Sie an dieses Thema heran?
G.K./ Wir wollten Hilfsmitteln wie Prothesen einen erkennbaren Wert geben, und damit auch den Träger stolz machen. Das ist ein sehr sensitives Geschäft. Was uns stolz macht, variiert in der individuellen Wahrnehmung stark. Nachdem eine Prothese etwas ist, dass man anstelle eines Körperteils trägt und nicht am Körper, ist die Befindlichkeiten eine ganz andere als beispielsweise bei einem Kleidungsstück. Da muss man die Variante anbieten, die tatsächlich die persönlichen Bedürfnisse trifft. Da kann man nicht einfach alles über einen Kamm scheren. Wir haben einen Baukasten entwickelt, aus dem man seine persönliche Prothese gestalten kann, die dann auch auf das eigene Wertempfinden abgestimmt ist. Die Akzeptanz wird für den Träger dadurch leichter und das Selbstwertgefühl wird gestärkt, weil der Träger selbst Herr der Gestaltung ist und mitbeeinflussen kann, wie viel er nach außen tragen möchte.
„Salzburg ist als Marke authentisch.“
L.L./ Wie würden Sie in der Designsprache Salzburg beschreiben?
G.K./ Ich würde sagen, Salzburg ist als Marke authentisch. Und alles andere als modern. Das muss es aber auch nicht sein. Salzburg verkauft sich über etwas anderes als Modernität und ich denke, so ist das auch glaubhaft.
L.L./ Wie „designed“ ist Ihr Leben?
G.K./ Naja, man kann dem Beruf nicht entrinnen. Ich betrachte alles, was ich für mich selbst kaufe, mit den Augen eines Designers – das ist eine Berufskrankheit, die bekommt man nicht weg. Insofern ist man natürlich schon etwas wählerischer mit den Dingen, mit denen man sich umgibt. Lieber weniger und davon das Richtige als mehr vom Falschen (lacht). Ja, das ist eine Berufskrankheit. Ich kann nicht einfach irgendeinen Sessel kaufen, das geht einfach nicht (lacht).
WORDRAP
Auf ... kann ich bei meiner Arbeit nicht verzichten.
Auf den Austausch mit meinen Kollegen.
Form follows function?
Das war schon tot, als ich studiert habe.
Was kann durch Design nicht transportiert werden?
Man kann ziemlich alles über Design transportieren.
... bräuchte mal ein neues Design.
Da gibt es eine lange Liste.
... ist für mich perfekt!
Berufskrankheit: nahezu nichts.
Die Karriere von Gerald Kiska begann 1990 als Ein-Mann-Betrieb. Heute arbeiten im gleichnamigen Designbüro in Anif bei Salzburg 230 Mitarbeiter aus 35 verschiedenen Staaten. KISKA ist damit eines der größten eigentümergeführten Studios Europas. Das Produktportfolio des Unternehmens umfasst die Gestaltung von Produkten, Produktumgebungen und Produktkommunikation sowie die strategische Beratung. Berühmt wurde Gerald Kiska durch seine Arbeiten für den Motorradhersteller KTM, für den er unter anderem das berühmte Orange kreierte.