Formel-1-Legende, Pilot, Unternehmer: Niki Lauda ist nicht der Typ, der sich auf Lorbeeren ausruht. Als Aufsichtsrat des Mercedes-Teams mischt er weiterhin kräftig im Formel-1-Zirkus mit, Hollywood setzte ihm mit „Rush“ ein filmisches Denkmal und der 64-Jährige ist stolzer Vater von vierjährigen Zwillingen. Warum er sich über den Allradantrieb bei Mercedes freut, auch mal glatzköpfig in der Skihütte sitzt, bestimmt nie kürzertreten will und einfach anders tickt als die meisten Menschen, erzählt er im großen La Loupe-Interview.(Anmerkung: Das Interview wurde Anfang Oktober 2013 geführt)
L.L./ Herr Lauda, gleich zu Beginn ein erfreuliches Thema: Urlaub! Bekanntlich sind Sie ein großer Fan von Lech Zürs.
N.L./ Mein Bezug zu Lech Zürs entstand durch Karl-Heinz mit seinem 6-Sterne-Hotel Alpenblick (Anmerkung: gemeint ist der Gasthof Alpenblick von Formel-1-Caterer Karl-Heinz Zimmermann). Schon zu Zeiten eines Willi Dungl haben wir jedes Jahr dort trainiert und es war immer ein Riesenspaß. Als ich vor 10 Jahren Birgit kennengelernt habe, meinte sie: „Du fährst jetzt mal auf die Malediven!“ Und ich: „Niemals fahre ich auf eine Insel!“ Schließlich habe ich es zu Weihnachten doch einmal ausprobiert, weil die Saukälte am Arlberg ja schon ein Problem ist, je älter man wird.
N.L./ Ich habe es dann doch ausgehalten auf den Malediven – neue Frau, ist ja logisch –, und ich war jetzt sieben, acht Jahre lang nicht mehr in Lech. Als die Kinder ein paar Monate alt waren, wollte ich herfahren, aber man hat zu mir gesagt: „Wahnsinn, du wirst sie doch nicht bei minus 30 Grad im Kinderwagen herumschieben!“ Aber diesen Winter kommen wir wieder nach Oberlech in die „Burg“, weil die Kinder Ski fahren lernen müssen. Sie sind dann viereinhalb und es ist schon fünf vor zwölf! Also: Lech ist zurück und die Malediven sind vorbei!
„Lech ist zurück und die Malediven sind vorbei!“
L.L./ Ihre legendäre rote Kappe ist sicher nicht wintertauglich. Wie machen Sie das beim Skifahren?
N.L./ Da muss ich logischerweise eine Mütze aufsetzen und mich normal kleiden. Wenn ich dann irgendwo reingehe, weil mir saukalt ist, habe ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich lasse die Mütze auf, oder ich sitze glatzköpfig dort. Ist mir aber egal, denn die Kappe kann ich nicht überallhin extra mitnehmen.
„Lech Zürs wie Mercedes stehen für Qualität auf höchstem Level.“
L.L./ Lech Zürs und Mercedes-Benz verbindet seit über 10 Jahren eine erfolgreiche Marketing-Kooperation. Warum passen die beiden Marken Ihrer Meinung nach so gut zusammen?
N.L./ Lech Zürs wie Mercedes stehen für Qualität auf höchstem Level. Die Autos sind jetzt – sehr überraschend nach langer Zeit – alle wintertauglich, weil sämtliche Modelle mit Allrad angeboten werden. Meine Frage „Warum so spät?“, konnte mir niemand beantworten. Aber damit ist das letzte i-Tüpfelchen für Mercedes gemacht worden, gerade für Fahrten nach Lech! Normalerweise will ich ja bescheidener auftreten, aber mir wurde leider die S-Klasse AMG gezeigt. Und das Ding schaut derartig geil aus, dass ich darum gebeten habe, eine zu bekommen. Mein Plan ist, Kinder und Kindermädchen hinten reinzupacken, die Birgit vorne, und dann nach Lech zu fahren. Es wird eine neue Erfahrung sein, mit vielen „Pipi-Pausen“, aber ich möchte es unbedingt machen, weil ich jetzt Allrad habe!
L.L./ In der Formel 1 entwickelt sich Mercedes zur ernstzunehmenden Konkurrenz. Wann gibt’s wieder einen Weltmeister aus dem Stall Mercedes?
N.L./ Für die aktuelle Saison ist der zweite Platz mein persönliches Ziel, aber es ist noch ein weiter Weg dorthin (Anmerkung: Das Interview wurde Anfang Oktober 2013 geführt). Nächstes Jahr ist alles neu: neue Autos, neue Hybridmotoren, da kann man keine Voraussagen machen. Außer, dass die Mercedes-Motoren in der Vergangenheit immer gut waren, und wenn die jetzt technisch alles richtig machen mit den irrsinnig komplizierten Aggregaten, kann Mercedes einen Schritt nach vorne machen. Du fährst dann den Grand Prix mit Strom, Benzin, Turbolader und 100 kg Sprit. Vorher waren es 140 bis 150 kg! Gleichzeitig darfst du nur 5 Motoren für 21 Rennen verwenden, das ist das Ärgste am neuen Reglement. Die komplett neuen Motoren müssen also vom ersten Tag an 6.000 km halten! Alle Teams arbeiten an der Umsetzung, aber wie das ausgeht, kann man nicht voraussagen.
L.L./ Die größte Veränderung im Formel-1-Sport seit Ihrer aktiven Karriere?
N.L./ Eine irre Veränderung, die auch der Film „Rush“ so toll zeigt, betrifft das Risiko für die Fahrer. Damals sind jedes Jahr einer oder zwei verunglückt, das war einfach so. Mittlerweile müssen sich die Fahrer nicht mehr damit auseinandersetzen. Die letzten Verunglückten waren Ayrton Senna und Roland Ratzenberger vor 20 Jahren. Irgendwann passiert wieder etwas, dann werden alle wachgerüttelt und müssen Konsequenzen ziehen, aber mit der damaligen Zeit wird das nicht vergleichbar sein. Auf den Rennstrecken kannst du heute nirgendwo mehr dagegenfahren, die Autos sind sowieso aus Carbon – das ist eine unglaublich positive Entwicklung für die Formel 1.
„Immer wenn jemand hochintelligente Dinge sagt, mache ich genau das Gegenteil.“
L.L./ Neben und nach der Karriere im Rennsport haben Sie sich auch als Geschäftsmann einen Namen gemacht. Sind erfolgreiche Sportler auch gute Unternehmer?
N.L./ Erfolgreiche Sportler machen normalerweise gar nichts. Die beenden ihre Karriere mit dem Geld, das sie berechtigterweise verdient haben, und zeigen kein Interesse, etwas anderes zu tun. Zum Beispiel Michael Schumacher, der amüsiert sich halt mit seiner Frau, seinen Pferden, Gokartfahren und was weiß ich. Jeder natürlich, wie er will, aber mein Ding war das nie. Irgendwas muss doch gemacht werden! Aus dem Rennsport kannst du als gute Basis fürs Geschäftsleben mitnehmen: Wo ist der schnellste Weg zum Ziel? Man sollte sich nicht davon abbringen lassen und Fehler immer bei sich selbst suchen. Aber den Rest muss man lernen. Aus meinen beiden Airline-Geschäften habe ich viel gelernt und bin glücklicherweise immer zufällig von einem interessanten Projekt zum nächsten gekommen. Nachdem ich zum Beispiel die NIKI an Airberlin verkauft hatte, kam die Anfrage von Mercedes, ob ich mithelfen möchte, sie wieder auf Vordermann zu bringen. Die Dinge in meinem Leben passieren im richtigen Ablauf. Mir macht das Spaß! Und langweilig wird mir sicher nicht.
L.L./ Also Sie denken gar nicht ans Aufhören?
N.L./ Null! Aufhören ist der Tod! Weil, was machst dann?
L.L./ Was würden Sie einem Jungunternehmer heute raten?
N.L./ Ehrlich zu sein zu sich selbst, offen zu sein gegenüber den Mitarbeitern. Und immer versuchen, auf gleichem Niveau ehrlich besser zu sein als die Konkurrenz. Man muss natürlich die richtigen Ideen im richtigen Moment haben. Aber nur wenn du auch das letzte Detail im Griff hast, funktioniert’s! Viele vergessen die Aufarbeitung der vielen kleinen Dinge und stolpern über ihre eigene Unfähigkeit, sie zu lösen.
L.L./ Sie handeln gerne gegen die Meinung des Mainstream. Wäre ein Leben ganz ohne Risikos für Sie langweilig?
N.L./ Ohne Risiko kann ich nicht leben. Und ich habe eins gelernt: Immer wenn jemand hochintelligente Dinge sagt, denke ich sofort umgekehrt und mache genau das Gegenteil. Weil ich draufgekommen bin, dass der Großteil der Menschen anders tickt als ich. Und damit bin ich eigentlich immer auf der richtigen Spur gewesen. Deshalb bin ich auch so klar in meinen Aussagen. Heute kann ich mir das zum Glück auch leisten!
„Es ist unglaublich, wie der Daniel Brühl mich spielt.“
L.L./ Ab 3. Oktober läuft „Rush“ in den österreichischen Kinos, Peter Morgans Verfilmung des WM-Titelkampfes 1976 zwischen Ihnen und James Hunt. Trifft er Ihren Geschmack?
N.L./ Ich bin mit dem Projekt ja schon länger betraut, weil ich Peter Morgan im Vorfeld erzählen sollte, wie das damals alles war. Er wollte das Thema so bearbeiten, dass am Schluss zwei Sieger überbleiben, und das hat er wirklich gut gemacht. Mein Input war also das Erzählen, dann habe ich erst wieder das Endprodukt gesehen. Und bei jeder Premiere, die ich bisher besucht habe, ist der Film gut angekommen – sogar die oft so „negativen“ Wiener haben mit Standing Ovations reagiert. Die jungen Leute, die sich mit meinem Unfall nicht beschäftigt haben, kennen ja keine Details. Der Film zeigt sie auf eine derart realistische Art, die auch mich erschreckt. Bei der Spitalszene hat’s sogar mich „gerissen“ und irgendjemand fällt dabei im Kino immer um.
L.L./ Was ist das für ein Gefühl, von einem Schauspieler verkörpert zu werden?
N.L./ Für mich ist nur das Endprodukt interessant: Gefällt es den Leuten oder nicht? Aber es ist unglaublich, wie der Daniel Brühl mich spielt. Wie emotional er die Dinge rüberbringt! Ich habe den Film jetzt dreimal gesehen und bin immer noch berührt bei manchen Szenen. Normalerweise ist das ja langweilig! Aber je öfter du diesen Film siehst, desto mehr gut gemachte Details fallen dir auf. Das sagt auch Daniel Brühl. Als ich den Film zum ersten Mal gesehen habe, kam ich für mich sehr negativ rüber und dachte: „Ich kann doch nicht so ein Arschloch gewesen sein!“ Aber der Film bringt die Schleife zustande, dass am Ende beide Figuren Respekt voreinander zeigen und gut dargestellt werden.
„Als ich den Film zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich: Ich kann doch nicht so ein Arschloch gewesen sein!“
L.L./ James Hunt wird im Film als Frauenheld gezeigt, sie eher als konzentrierter Analytiker. Welche Rolle spielen denn Frauen in der Formel 1?
N.L./ Heute leider keine mehr! Prinzipiell sind die Fahrer alle verheiratet und kommen mit Kindern und Hund zu den Rennen, weil die Gefahr nicht mehr da ist. Die Marlene (Anmerkung: seine erste Ehefrau) ist mit mir zu zwei Rennen gefahren, dann hatte ich einen Unfall und sie wollte nie mehr mit. Also waren wir Fahrer bei den Rennen allein gelassen – Gott sei Dank, weil damit die Belastung weg war, ob ich Gas geben soll oder nicht. Alle anderen Frauen, die einen von uns Wahnsinnigen erwischen wollten, waren aber natürlich dort. Die Zeit von Woodstock und die Siebzigerjahre in der Formel 1 möchte ich nicht missen, ehrlich gesagt!
L.L./ Von den Frauen zu den Kindern: Wie geht’s Ihnen mit den Zwillingen Mia und Max?
N.L./ Der reine Wahnsinn! Im ersten Moment gab’s ja Diskussionen übers Windelwechseln und ich habe gesagt, das tue ich nicht. Und ich habe es tatsächlich nie machen müssen, die Not war nie da. Aber ich habe Birgit immer vertröstet: „Warte, meine Zeit kommt!“ Jetzt sind die beiden vier Jahre alt und meine Zeit ist da. So um 6, halb 7 Uhr morgens kommen die beiden anmarschiert und „zack!“ sind sie bei mir im Bett. Eine Riesenhetz! Was die aufführen! Und diese lustigen Diskussionen!
L.L./ Zum Abschluss: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
N.L./ Gesundheit, das ist das Wichtigste! Und immer die Freiheit zu haben, machen zu können, was ich will. Vielen Dank für das Gespräch!
Fotocredit: Red Bull Media House