Sennsationell gut
Andreas Senn und Christian Geisler im Doppelinterview
Andreas Senn zählt erst 39 Jahre, sein Restaurant bereits zwei Michelin-Sterne. Das liegt an seinem außergewöhnlichen Können, das er bereits in heimischen und internationalen Häusern unter Beweis gestellt hat – vom Hangar 7 bis zur Heimatliebe in Kitzbühel. Es liegt aber auch an seinem Kompagnon Christian Geisler, 34 Jahre jung, gebürtiger Salzburger und ebenfalls Sternekoch. Im La Loupe-Doppelinterview sprechen die beiden Ausnahmeköche über den Weg abseits ausgetrampelter Pfade, Schwellenangst in der Spitzengastronomie und über das Tüfteln bis zur Perfektion.
L.L./ SENNS.Restaurant! Ein Name, ein Statement? Für was steht SENNS.Restaurant?
A.S./ Früher, als Jugendlicher, hatte ich immer den Plan, mich mit einem eigenen Restaurant selbstständig zu machen. Dann arbeitet man eine Zeitlang in der Gastronomie und verliert diesen Wunsch etwas aus den Augen, weil man merkt: Das kostet alles richtig viel Geld. Ich war fünf Jahre lang in Kitzbühel mit dem Restaurant Heimatliebe schon sehr erfolgreich. Nachdem es geschlossen wurde, musste ich mich neu orientieren. In dem Sommer, bevor das SENNS.Restaurant eröffnet wurde, haben wir hier im Gusswerk ein Pop-up-Restaurant gemacht, damals noch unter dem Namen Heimatliebe.
„Das Wichtigste an einem Gericht sind perfekte Zutaten.“
Ich habe mich sofort in diese Location verliebt. Aber es war jahrelange Arbeit, bis alles genehmigt wurde, bis alle Partner mit an Bord waren. Als es dann soweit war, war mir klar, dass das Lokal ein Gesicht braucht, einen Namen. Es „das Lokal im Gusswerk“ zu nennen war für mich nie eine Option. Es braucht ein Gesicht, eine Persönlichkeit. Die Gäste sollen ja Spaß haben im Restaurant und die dürfen auch spüren, dass wir Spaß haben. Hin und wieder kommen sogar Gäste in die Küche, wenn wir gerade kochen. Erst kürzlich waren wieder ein paar da, hat Christian erzählt.
„Wir wollten von Anfang an alles bewusst anders machen.“
C.G./ Ja, das waren Berufskollegen mit einem eigenen Restaurant. Die haben mich gefragt, ob sie einen Blick in die Küche werfen dürfen, als ich gerade draußen im Service war. Wir servieren ja auch mit. Das macht die ganze Atmosphäre gleich etwas lockerer und wir können die Gerichte einfach noch etwas anders erklären.
„Ich kann mich mit Andis Restaurant sehr, sehr gut identifizieren.“
L.L./ Sie haben gemeinsam zwei Sterne – eine Besonderheit! Wie haben Sie beide zusammengefunden?
A.S./ Früher haben wir im Hangar 7 zusammengearbeitet – sogar zweimal. Danach haben wir uns etwas aus den Augen verloren. Ich bin in Österreich geblieben, Christian war in der Schweiz.
C.G./ Ich war fast zehn Jahre in Restaurants in der Schweiz, in Zürich und in Zermatt. Als dann mein Kind unterwegs war, haben meine Partnerin und ich beschlossen, wieder zurückzugehen. Ich bin aus Salzburg, hier sind meine Wurzeln. So hat sich das mit dem Andi eigentlich durch Zufall ergeben. Wir haben uns getroffen, Kaffee getrunken und geratscht. Dann hat der Andi gefragt, ob ich nicht zu ihm kommen will. Da habe ich nicht lange überlegt – das ist so ein lässiges Haus! Es ist Andis Restaurant, aber ich kann mich damit sehr, sehr gut identifizieren. Und bin froh, dass ich da sein kann.
A.S./ Uns verbindet eine private Freundschaft. Und in der Küche macht jeder sein eigenes Ding, das ergänzt sich super. Das sieht man auch an den Gerichten.
L.L./ „Wer nie die ausgetrampelten Pfade verlässt, kommt nur dort an, wo andere schon waren.“ Diese Aussage liest man von Ihnen oft. Wo waren Sie und haben sich inspirieren lassen?
A.S./ Die prägendste Zeit für mich waren sicher die sieben Jahre im Hangar 7. Was man da mitbekommt, mit elf verschiedenen Gastköchen im Jahr, das ist schon Wahnsinn. Der Spruch ist dadurch entstanden, dass die Gourmetrestaurants alle irgendwie gleich sind – oft sehr steif. Gott sei Dank hat sich das schon etwas geändert. Wir wollten unser Restaurant bewusst anders machen. Zum einen ist die Location keine klassische Restaurant-Location – wir haben keine Tischdecken, kein Silberbesteck. Zum anderen ist die Küche etwas frecher, moderner. Es soll einfach Spaß machen.
„Das Ziel ist nicht, zu kopieren, sondern kopiert zu werden.“
L.L./ Welcher spezifische Geschmack unterscheidet Ihr Restaurant von anderen?
C.G./ Ich glaube, das Ziel ist nicht, zu kopieren, sondern kopiert zu werden. Wir tüfteln ständig an Gerichten herum, probieren viel aus, auch gewisse Zubereitungsarten. Wir versuchen, nichts zu kopieren, sondern machen das, was uns selbst schmeckt. Das treiben wir dann so zur Perfektion, bis wir sagen: Das kommt jetzt auf unsere Karte.
A.S./ Das Schöne ist: Was uns schmeckt, schmeckt vielen Gästen auch (lacht).
„Andreas und ich servieren auch – dann können wir den Gästen noch mehr über die Gerichte erzählen.“
L.L./ Inwieweit verändern zwei Sterne den Geschmack?
A.S./ Man kann davon ausgehen, dass man ein perfektes Grundprodukt vor sich hat. Generell sind das Wichtigste an einem Gericht perfekte Zutaten. Das geht beim Gemüse los, und betrifft natürlich besonders Fisch und Fleisch. Diese Qualität hat eben auch seinen Preis. Wir können Langustino kaufen, da kostet das Kilo 20 Euro. Oder wir kaufen Langustino um 120 Euro pro Kilo. Das ist ein Riesenunterschied in der Qualität. Und das schmeckt man.
C.G./ Die Qualität, die richtige Zubereitung und die eigene Handschrift, das macht es aus.
„Entscheidend sind die richtige Qualität, die richtige Zubereitung und eine eigene Handschrift.“
L.L./ Geben Sie diese Geschichten auch an den Gast weiter?
A.S./ Ja, das ist auch ein Grund, warum wir mitservieren – damit wir es den Gästen noch besser erklären können. Den Interessierten erklären wir gerne, was es mit den Zutaten auf sich hat. Warum alte Milchkuh, beispielsweise, und kein Black Angus Beef. Aber in erster Linie soll es dem Gast schmecken, der Gast soll Spaß haben und einen schönen Abend genießen. Wie, wenn er ins Theater gehen würde.
„Zu uns kommen 18-Jährige genauso wie 70-Jährige.“
L.L./ Wir haben gehört, es fliegen extra Gäste ein, um hier zu essen. Wen wollen Sie ansprechen?
A.S./ Wir haben Gäste, die kommen extra aus Taiwan oder China, um bei uns zu essen. Für diese „Gourmettouristen” ist der Guide Michelin wahrscheinlich ausschlaggebend. Ich denke, dass uns diesbezüglich auch die drei Sterne gut tun werden, die das Amador in Wien bekommen hat. Dadurch kommen vielleicht noch mehr Gourmets zu uns nach Salzburg. Grundsätzlich haben wir aber kein klassisches Gästeklientel. Zu uns kommt der 18-Jährige mit seiner Freundin zum Geburtstagsessen genauso wie ältere Herrschaften mit 70 Jahren. Wir haben viele Stammgäste, die schon in Pension sind.
„Das grösste Problem der Sternegastronomie ist die Schwellenangst.“
Sicher ist das Preisniveau ein Thema, wir sprechen eine gewisse Schicht an. Aber auch ein 18-Jähriger kann es sich einmal im Jahr leisten – dann ist es eben ein richtiges Erlebnis. Und wir haben keinen Dresscode, es muss niemand in Anzug und Krawatte kommen. Bei uns muss man keine Angst haben, bei uns sollen sich auch die jungen Leute wohlfühlen. Wir wollen diese Schwellenangst unbedingt dämmen. Ich denke, die Schwellenangst ist das größte Problem der Sternegastronomie.
L.L./ SENNS und das englische Wort „sense“ für Sinn - lassen vermuten, dass man bei Ihnen mit allen Sinnen genießen kann. Gerne möchte man sich an dieses Erlebnis lange erinnern - gibt es ein Geschmacksgedächtnis?
C.G./ Wenn das Essen richtig gut ist, bleibt es in Erinnerung. Ich weiß wahrscheinlich mein Leben lang, wo ich das beste Barbecue gegessen hab. Die ganz guten, spezifischen Sachen, die merkt man sich.
A.S./ Ich glaube, es muss einfach Klick machen, visuell und geschmacklich. Dann bleibt es auch in Erinnerung.
Andreas Senn, Eigentümer und Küchenchef im Spitzenrestaurant SENNS, legte den Grundstein für seine steile Karriere bereits zu Lehrlingszeiten. Schon damals nahm er an Wettbewerben teil und erkochte sich, nach seinem Lehrabschluss mit Auszeichnung, 2003 seine erste Haube im Gault Millau. Viele weitere Auszeichnungen sollten folgen, unter anderem die als „Koch des Jahres“, ausserdem mehrere Hauben und Sterne. Ab 2013 erhielt er dreimal in Folge drei Hauben von Gault Millau für seine Kreationen im Restaurant Heimatliebe Kitzbühel. 2015 konnte Andreas Senn den ersten Michelin-Stern für SENNS in Empfang nehmen, 2016 folge der zweite.
Der gebürtige Salzburger Christian Geisler war bereits in mehreren Städten als Koch erfolgreich, bevor er wieder zurück nach Salzburg ging – etwa in New York City, in Chicago, in Zürich oder Zermatt. 2014 und 2015 wurde er mit einem Stern im Guide Michelin ausgezeichnet. Seit 2018 steht er neben Andreas Senn in der Küche des Salzburger Spitzenrestaurants SENNS.