Ick bin een Berliner: Der Friedrichstadt-Palast
Europas größtes Revuetheater
Zu DDR-Zeiten spielten hier Weltstars von ABBA bis Mireille Mathieu, von Gilbert Bécaud bis Louis Armstrong: Der Berliner Friedrichstadt-Palast, letzter Prachtbau von Erich Honecker, ist nicht nur Europas größtes Revuetheater, sondern auch neuer ZDF-Serienstar.
Berlins Broadway liegt an der Friedrichstraße und besteht aus einem einzigen Gebäude: Ein ausladendes Bauwerk, Gipsstalaktiten aus sandfarbenem Sichtbeton, mit hohen Fenstern, verziert mit buntem Glasmosaik zwischen Jugendstil und Orient, die abends mit rosafarbenen Lichtröhren angestrahlt werden – der Friedrichstadt-Palast. Wie ein Fixstern am Abendhimmel ist Europas größtes Revuetheater schon aus Hunderten Metern Entfernung sichtbar. Wo, wenn nicht hier, können vor allem Revue-Shows mit jenen in Las Vegas mithalten: 2.000 Plätze, 500.000 Zuschauer im Jahr und Hightech-Produktionen, die schon mal mehrere Millionen kosten können, wie „The Wyld“, „VIVID“ und „ARISE“. Der Friedrichstadt-Palast sorgt seit über 100 Jahren für Berliner Abendunterhaltung.
Vier Staatssysteme und ein (Todes-)Fall
Die Wurzeln des Hauses reichen weit zurück: Angefangen hat alles in der Weimarer Republik im Jahr 1919. Damals wurde die ehemalige Gourmet-Markthalle vom berühmten Architekten Hans Poelzig kunstvoll zu einem Theater umgebaut – die kolossale Kuppel mit ihren Gipsstalaktiten galt als Meisterwerk seiner Zeit. Das so entstandene „Große Schauspielhaus“ öffnete am 29. November wenige Hundert Meter von der heutigen Adresse „Am Schiffbauerdamm“ seine Türen für das betuchte Publikum. Der legendäre Theatermacher Max Reinhardt nutze das Haus zur Inszenierung seiner monumentalen Bühnenstücke und Klassiker. Reinhardt war es auch, der die erste „Kickline“ oder eben „Girlreihe“ auf die Bühne brachte. Dabei sollten die Frauen möglichst identisch aussehen und sich perfekt im Gleichschritt bewegen. Die britischen Tiller Girls gelten als erste, die diese Kunst in Berlin auf die Bühne brachten. Bald gab es aber auch eine eigene „Kickline“ im Großen Schauspielhaus, zu der eine damals noch unbekannte Tänzerin namens Marlene Dietrich gehörte. 1922 feierte die Grande Dame ihren ersten Auftritt als Revuegirl im Vorläuferhaus des Friedrichstadt-Palastes. Auch wenn man heute das Revuegirl-Image etwas hinter sich lassen möchte, so werden die Beine doch bis heute geschwungen, selbst in Familienshows und zwischen Nummern internationaler Artisten.
Während der Diktatur des Nationalsozialismus verlor das Haus an Glanz und Glamour. Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Kuppel des Bühnenraums wurde notdürftig mit einem Fallschirm abgedeckt, sodass bereits im August 1945 wieder erste Vorstellungen stattfinden konnten. Am 1. November 1947 erhielt das „Theater des Volkes“ (wie das Haus in der Zeit nationalsozialistischer Propaganda genannt wurde) den Namen Friedrichstadt-Palast. Sein Glamour-Comeback erlebte das Haus aber erst wieder in der DDR. Nachdem der alte Friedrichstadt-Palast 1980 fast über Nacht schließen musste, weil es baustatische Probleme gab, die mit einem Neubau der benachbarten Charité zusammenhingen, setzte sich DDR-Staatschef Erich Honecker persönlich für den Neubau an der Friedrichstraße 107 ein. Er galt als großer Fan des Glamours „made in DDR“, vor allem des Balletts, sodass er unglaubliche 213 Millionen DDR-Mark für das Prestige-Projekt aus der klammen Kasse des Landes loseiste. 1984 war es endlich soweit: Vorhang auf für den Ostberliner Prachtbau der Superlative mit der 24 x 50 Meter großen Bühne, einem versenkbaren Wasserbecken mit fünf Fontänen und einer Eislauffläche von zwölf Metern Durchmesser!
Gefeierter Serienstar
Für den erst kürzlich gedrehten ZDF-Dreiteiler „Der Palast“ lässt man die glamouröse Neueröffnung von 84 wieder aufleben. So wird das wohl prunkvollste und historisch bedeutsamste Gebäude Berlins zur Begegnungsstätte der Solotänzerin Chris und ihrer bis dahin unbekannten Zwillingsschwester Marlene aus Westdeutschland. In der fiktiven deutsch-deutschen Familiengeschichte nimmt die Schauspielerin Svenja Jung die Rolle beider Schwestern ein. Sie versuchen hinter das Familiengeheimnis zu kommen, das zu ihrer Trennung kurz vor dem Mauerbau 1961 führte. Dafür schmieden sie einen abenteuerlichen Plan und tauschen ihre Rollen. Wer wissen möchte, wie es ausgeht, kann die ZDF-Serie in der Mediathek anschauen.
Fazit: Wer den Friedrichstadt-Palast nur von außen kennt, kann die Geschichten des Prachtbaus zwar mit dem gewissen Aha-Erlebnis kommentieren, aber um in den Bann des Friedrichstadt-Palasts gezogen zu werden, muss man ihn einmal selbst beim Besuch einer der Shows erleben.
Friedrichstadt-Palast Berlin, Friedrichstraße 107, 10117 Berlin