Der Arlberg im Licht der Jahreszeiten
© Tim Hall

Der Arlberg im Licht der Jahreszeiten

Interview mit Tim Hall

Der international renommierte britische Fine Art Fotograf Tim Hall hat dem Arlberg mit seinem Bildband „Above the clouds“ein fotografisches Denkmal gesetzt. Mit LA LOUPE spricht er über magische Momente, handwerkliche Fertigkeiten und die Fotografie als künstlerische Ausdrucksform.

„Manchmal sind „Zufallsbilder“ die besten.“

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© Tim Hall

L.L./ Landschaftsfotografie bedeutet, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Welche Rolle spielt dabei der Zufall bzw. die genaue Vorbereitung auf ein Shooting?

T.H./ Ich denke, dass beides zu tollen Aufnahmen führen kann. Je besser man einen Ort kennt und vor allem Wetterlage und Lichteinfall einschätzen kann, desto leichter fällt die Planung und desto realistischer ist es, zum idealen Zeitpunkt den Auslöser drücken zu können. Gleichzeitig übt das spontan buchstäblich vor die Linse „gefallene“ Bild einen ganz besonderen Reiz aus. Für mich ist es fast schon ein magischer Moment, wenn ein perfektes Foto mit großer Leichtigkeit und viel Glück entsteht – „Zufallsbilder“ sind manchmal einfach die besten.

L.L./ Fotografie wird ja auch als Lichtmalerei bezeichnet. Sehen Sie sich als Lichtmaler bzw. komponieren Sie Ihre Fotos wie ein Maler?

T.H./ Fotografie wird von Licht bestimmt. Das Spiel von Licht und Schatten ist der Schlüssel für den Ausdruck des Bildes, dafür ob es gut oder schlecht wird. Besonders in den Bergen kann man förmlich dabei zu sehen, wie sich durch veränderte Lichteinfälle Szenen total verändern, wie das Licht die Landschaft neu bemalt. Ehemals liebliche Landschaften wirken plötzlich schroff und wild und umgekehrt. Ich lasse mich tatsächlich gerne von Malern inspirieren. Am liebsten von Joseph Marlot William Turner, dem weltberühmten britischen Romantikmaler, der fast schon besessen vom richtigen Licht war. Oder aber auch von abstrakten Künstlern wie dem Expressionisten Mark Rothko, seines Zeichens Wegbereiter der Farbfeldmalerei. Denn natürlich spielen auch in der Fotografie Farben eine wesentliche Rolle. Ich glaube schon, dass Fotografen ähnlich wie Maler denken, wenn es darum geht, Bilder zusammen zu stellen.

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© Tim Hall
„Fotografie wird von Licht bestimmt. Es ist ausschlaggebend dafür, ob ein Bild gut oder schlecht wird.“

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© Tim Hall

L.L./ Bezeichnen Sie sich selbst lieber als Künstler oder als Handwerker?

T.H./ Ich bin ein Fotograf, der die Welt um sich herum aufmerksam wahrnimmt. Ich habe ein gutes Auge für Licht, Farbe, Maßstab und Komposition. Ich versuche, die Atmosphäre, die das jeweilige Motiv umgibt, gemeinsam mit meinem ureigenen Gefühl tiefer Ehrfurcht vor allem, was unser Auge erfreut auf ein Blatt Papier zu bringen. Zu beurteilen, ob mich das mehr zum Handwerker oder zum Künstler macht, sei anderen überlassen.

„Kunstfotografie hat ein breites Wirkungsspektrum. Ein Teil ist dekorativ, der andere hat eine tiefere Bedeutung.“

L.L./ Kann man den fotografischen Blick lernen oder ist er einem gegeben?

T.H./ Ich habe das Glück, einen angeborenen Sinn dafür zu haben, was eine gute Bildkomposition ausmacht und freue mich über den Instinkt, der mich im richtigen Moment abdrücken lässt. Auf der anderen Seite ist natürlich auch vieles erlernbar – mit ein wenig Interesse und Einsatz kann man sich alles Wissenswerte über die Mechanik hinter der Fotografie aneignen. Es gibt heutzutage auch viele Künstler, die ihre Ideen über die Fotografie ausdrücken. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie auch gute Fotografen sind.

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L.L./ Gibt es ein perfektes Foto für Sie?

T.H./ Ich denke, das perfekte Foto liegt mit Sicherheit im Auge des Betrachters – und Geschmäcker ändern sich bekanntlich. Für mich sind die besten Bilder die zeitlosen, die, die ich auch Jahre, nachdem sie aufgenommen wurden, immer wieder gerne anschaue.

„Ich denke, dass Landschaftsfotografie bewirken kann, dass Menschen die Natur bewusster wahrnehmen und sie vielleicht mehr respektieren und erleben wollen.“

L.L./ Kann Fotografie die Welt bzw. den Blick auf die Welt verändern?

T.H./ Landschaftsfotografie kann meiner Meinung nach den Menschen dazu bringen, respektvoller mit der Natur umzugehen, sie intensiver wahr zu nehmen. Ich mache gerne Fotos mit meditativem Charakter. Ich möchte dem Betrachter gerne dabei helfen, dem Alltag gedanklich zu entfliehen. Es wäre schön, dieses unbeschreibliche Gefühl, das mich am Gipfel eines Berges überkommt durch meine Arbeit mit anderen teilen zu könnte. Aber natürlich umfasst die Fotokunst ein riesiges Spektrum – manches hat eine tiefere Bedeutung, manches dient rein dekorativen Zwecken.

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© Tim Hall

L.L./ Pflegen Sie einen Lebensstil, der auch in Ihren Bildern zum Ausdruck kommt? Oder umgekehrt: Beeinflusst ihre Arbeit Ihren Lebensstil?

T.H./ Meine Arbeit ist untrennbar mit meiner Liebe zum Reisen und zur Natur verbunden. Deshalb ist es sicher so, dass ich bestimmte Projekte, die zu meinen Interessen passen, vorantreibe. Ich wähle oft Urlaubsorte für meine Familie und mich aus, wo ich gleichzeitig die Gelegenheit habe, ein paar interessante Aufnahmen zu machen. Im vergangenen Jahr waren wir im chinesischen Guilin, wo ich großartige Bilder der dort sehr beeindruckenden Berglandschaft einfangen konnte.

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© Tim Hall

L.L./ Und was macht die Landschaft rund um Lech für Sie so reizvoll?

T.H./ Der Arlberg bietet so viele einzigartige Perspektiven. Ich liebe das Gefühl, sich in der Mitte eines endlosen Tales zu befinden, das nur durch Gesteinsformen akzentuiert wird. Dabei wirken die natürlichen Formen des Arlberg dramatisch und sanft gleichermaßen. Man bekommt einfach etwas von allem, das das Landschaftsfotografenherz höher schlagen lässt.

„Ich liebe das Gefühl, sich in der Mitte eines endlosen Tales zu befinden, das nur durch interessante Gesteinsformen akzentuiert wird."

L.L./ War die Arbeit im Winter oder im Sommer spannender, Stichwort Kontrastreichtum?

T.H./ Obwohl ich sehr gerne Ski fahre, ist Lech für mich im Sommer schöner als im Winter. Die Natur zeigt in der warmen Jahreszeit so viele Farben und Klänge – einfach magisch! Ich mag den Effekt von ungesättigten Farben und verwende diesen Stil oft. Wenn eine Szene jedoch besonders grafisch wirkt, wechsle ich zu Schwarzweiß, um dem Ganzen noch mehr Kontur und Ausdruck zu geben.

„Der Arlberg ist sowohl dramatisch als auch sanft. Damit bekommt man ein bisschen was von allem.“

L.L./ Haben Sie ein Lieblingsmotiv hier am Arlberg?

T.H./ Am liebsten schaue ich im Sommer in die Richtung Karhorn und Bürstegg mit dem Wilderstein dahinter. Oder mein Blick wandert vom Hasenfluh hinunter und lässt sich von den Wolken, die den Flexenpass hoch kommen, verzaubern.

L.L./ Man findet von Ihnen kaum Fotos, die sie selbst zeigen. Lassen Sie gerne Ihre Werke in den Vordergrund treten?

T.H./ Ich mag es nicht besonders, fotografiert zu werden. Genau das ist der Grund, warum ich lieber auf der anderen Seite der Linse bleibe.

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„Above the Clouds – landscapes from the Arlberg mountains“ © Tim Hall
„Heutzutage gibt es viele Künstler, die die Fotografie dazu nutzen, eine Idee auszudrücken. Das muss allerdings nicht bedeuten, dass sie gute Fotografen sind.“

Tim Hall im Wordrap

Mein Lieblingsplatz in Lech ist ... Bürstegg

​Meine künstlerischen Vorbilder sind ... Salgado, Rothko und Turner.

​Ich würde sehr gerne ein Foto machen von ... Lech aus einem Hubschrauber, aber ich hatte noch nie die Möglichkeit dazu.

​Ich würde niemals ein Foto machen von ... ich setze mir keine Grenzen.

​Ich sehe meine Fotos am liebsten hängen: Im Hotel Aurelio in Lech. Hier wird der Verlauf meiner Karriere am besten gezeigt.

​Meine liebste Kamera ist eine ... Hasselblad.

​Selfies sind für mich ... verzichtbar, doch meine Töchter gehen natürlich mit dem Trend und sind begeisterte Smartphone-Fotografen. Dadurch bin ich es heute eher gewohnt, fotografiert zu werden und tauche sogar hin und wieder auf Instagram auf.

Inside story

Der 108 Seiten starke Bildband des in London lebenden Fotografen versammelt magische Landschaften und Momente im Wechsel der Jahreszeiten. Hall präsentiert eine Hommage an den Arlberg mit seinen sanften und doch gewaltigen, ja monumentalen Landschaften. Es gibt keine Nahaufnahmen von Menschen, viel mehr spielt der Fotograf mit Maßstäben. So werden Skifahrer als winzige Protagonisten inmitten der überwältigenden Natur dargestellt. Mit seinen Fotografien gibt er ganz behutsam alles wieder, wofür die Berge des Arlbergs stehen und schafft es gleichzeitig, den Betrachter in eine entspannte, fast schon mystische Stimmung zu versetzen.

Erhältlich in Lech im Hotel Aurelio und im Internet auf www.timhallphotography.com


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