Das Glück liegt in den Kurven
Interview mit Stefan Bogner vom Curves Magazin
Darf man die Natur lieben und darin Auto fahren? Diese Frage stellte sich auch Designer und Fotograf Stefan Bogner immer wieder. Seine Antwort: Ja, solange das Fahren „soulful“ und mit Mensch, Tier und Natur im Einklang ist. Aus seiner Leidenschaft zu Bergpässen und Kurven heraus gründete er 2011 das Special-Interest-Magazin Curves, das er selbst als Automagazin ohne Autos beschreibt. Was es damit auf sich hat und warum der Flexenpass ein ganz besonderes Fotomotiv ist, verrät uns der Münchner im Interview mit La Loupe.
„Es geht nicht um Geschwindigkeit und den Adrenalinkick, sondern um den Genuss der Landschaft und der Berge.“
L.L./ Der Slogan Ihres Magazins Curves lautet „Soulful driving“. Was verstehen Sie genau darunter?
S.B./ Es geht eigentlich darum, eine gute Zeit mit Freunden zu haben und sich eine Woche auf das Fahren zu konzentrieren – egal ob mit dem Auto, dem Fahrrad, dem Motorrad oder dem Skateboard. Dabei geht es nicht um Geschwindigkeit und den Adrenalinkick, sondern um den Genuss der Landschaft und der Berge – ich selbst komme aus München und habe deshalb meine Jugend vorwiegend in den Bergen verbracht. Außerdem spielen auch Essen und unterschiedliche Kulturen eine wichtige Rolle. Es geht um das „schöne Unterwegssein“ und um gute Erinnerungen, die man gerne teilt. Ich vergleiche das gerne mit einem Musikstück, das zum Ohrwurm wird und einen stetig begleitet. Das ist die Intention von „Soulful driving“. Ich empfinde beim Autofahren großen Frieden, denn da redet mir keiner rein, ich habe meine Ruhe und kann entspannen.
„Ich empfinde beim Autofahren großen Frieden.“
L.L./ Mit Curves brachten Sie 2011 erstmalig einzigartige Aufnahmen von Bergpässen und Kurven mit einer Roadmoviegeschichte zusammen. Wie kamen Sie auf die Idee, Ihr eigenes Magazin zu gründen? Welches Konzept steckt dahinter?
S.B./ Ich komme aus dem Design und hatte auch 25 Jahre eine Designagentur, bei der unser Fokus auch viel auf Editorial Design und Reiseführern lag. Ich hatte schon immer sehr viele Ideen und war auch früher ein Mensch, der oft mit Freunden weggefahren ist. Und eines Tages standen wir auf dem Gipfel und mir fiel auf, dass es über diese Thematik kein Magazin gab, das vor allem ein jüngeres Publikum ansprach. Daraufhin habe ich die Idee zu Curves entwickelt, ganz ohne Kundenauftrag und entgegen jeglicher Vernunft. Doch genau das triggerte mich. Und nach nicht mal zehn Minuten stand das Konzept in meinem Kopf, das ich dann auch umgesetzt habe. Vom Layout über Fotos bis hin zur Finanzierung habe ich alles selbst in die Hand genommen. Mithilfe eines sehr guten Texters bekamen wir das Magazin dann auf die Straße.
Oft hat man den Traum, eine gewisse Strecke zu fahren, hier knüpft das Konzept von Curves an: Wir stellen Routen vor, die in fünf Tagen absolvierbar sind – egal ob in Österreich, Frankreich, Italien oder Island. Außerdem sind natürlich leere Straßen wichtig, denn diese Sehnsucht haben viele Fahrer. Karten und Bilder dürfen auch nicht fehlen, genauso wie eine gute Story, so als ob Quentin Tarantino und Sofia Coppola ins Auto steigen würden und eine Geschichte schreiben, die dann Wes Anderson verfilmt. Essens- und Hoteltipps sind ebenfalls zu finden. Jeder soll sich in den Ausgaben wiederfinden. Das Magazin ist relativ dick und hat aufgrund des zeitlosen Designs einen echten Sammelcharakter. Das ist die Idee hinter Curves.
Was die Planung angeht: In den Alpen kennen wir uns gut aus, bei Destinationen wie beispielsweise Island benötigen wir etwas Vorbereitung und akquirieren Personen aus Social Media und wenden uns an Freunde von Freunden. Das funktioniert sehr gut. Jedes Magazin entsteht in zwei Wochen, zwölf Tage widmen wir uns nur der Landschaft, dann kommen die alten und neuen Autos unseres Partners Porsche an die Reihe. Wenn wir aber beispielsweise in den USA unterwegs sind, nehmen wir uns dementsprechend schon etwas mehr Zeit. Wir arbeiten zu zweit an einer Ausgabe, wie ein guter Rennwagen: Wenig Gewicht, aber eine gute Leistung. Mit dabei ist mein bester Freund von früher. Wir folgen der Devise: Je kleiner, desto besser!
„Nach nicht mal zehn Minuten stand das Konzept in meinem Kopf.“
L.L./ Heute sind das Magazin und die mittlerweile dazugehörigen Bücher sehr erfolgreich. Hatten Sie dennoch in der Vergangenheit auch Zweifel, dass die Thematik zu sehr auf einen Nischenmarkt ausgelegt ist?
S.B./ Das Magazin ist so nischig, nischiger geht es ja gar nicht mehr. Ein Automagazin ohne Autos? Bei Meetings bin ich anfangs dreimal gegen eine Wand gelaufen. Irgendwann fand aber doch jemand die Idee interessant.
Damals hat alles als Urlaubsprojekt begonnen. Mittlerweile habe ich meine Agenturanteile verkauft, widme mich weiterhin dem Magazin und habe zudem meine eigenen Designprojekte. Am Anfang dachte ich, wir würden 100 bis 1.000 Exemplare von Curves verkaufen. Dass wir dann aber so erfolgreich sein werden, war eine völlige Überraschung – gehofft habe ich es innerlich natürlich schon. Da jede Ausgabe auf Deutsch und Englisch erscheint, funktioniert das Konzept weltweit, beispielsweise auch in Tokyo. Das Hauptprodukt ist natürlich Print, Social Media und die Website ergänzen das Konzept.
Es wundert mich dennoch, dass der Erfolg des Magazins jedes Jahr steigt. Wir drucken pro Ausgabe eine Erstauflage von 15.000 Stück, nach einem dreiviertel Jahr sind diese dann vergriffen. Also lassen wir zwischen 5.000 und 10.000 Exemplare nachproduzieren. Bist jetzt haben wir neun Ausgaben publiziert, die teilweise in der fünften und sechsten Auflage erschienen sind. Und auch die Bücher sind heiß begehrt. Wir punkten auch durch einen verhältnismäßig günstigen Preis von 15 Euro pro Magazin, man bekommt also viel für sein Geld und kauft deshalb gerne auch eine Ausgabe mehr für seinen besten Freund.
„Jeder soll sich in den Ausgaben wiederfinden.“
L.L./ Oft fotografieren Sie die puristische Schönheit der Passstraßen mithilfe eines Helikopters von oben. Was macht für Sie ein gutes Bild aus? Wie kommt sowohl Natur, als auch das Fahrzeug optimal zur Geltung und welchen künstlerischen Ansatz verfolgen Sie?
S.B./ Als sich das erste Magazin so gut verkauft hat, wusste ich, dass die Autoindustrie das Konzept wohl sehr schnell kopieren wird. Daraufhin dachte ich mir: Ich nehme das ganze verdiente Geld der ersten Ausgabe und investiere es in einen Heliflug, denn das leistet sich normalerweise niemand. In 100 Minuten schaffe ich es, ungefähr fünf bis sechs Alpenpässe in einer ausgezeichneten Qualität abzufotografieren. Auch die Ästhetik ist eine ganz besondere: Ich komme ja aus dem Design und der Grafik und das wirkt sich natürlich auch auf die Komposition der Fotos aus. Alle meine Lieblingsbilder sind aus dem Heli entstanden.
Von Zürs aus bin ich auch in Richtung Timmelsjoch geflogen und dachte mir auf dem Weg, dass ich doch noch den Flexenpass abfotografieren könnte, der auf den ersten Blick jedoch etwas langweilig erscheint. Auf den Fotos wirkt die Architektur jedoch unfassbar spannend und der Flexenpass ist eine meiner schönsten Bildserien geworden, obwohl ich ihn gar nicht so auf dem Schirm hatte. Vom Heli siehst du Dinge, die du so oft gar nicht richtig wahrnimmst.
„Wir arbeiten zu zweit an einer Ausgabe, wie ein guter Rennwagen: Wenig Gewicht, aber eine gute Leistung.“
L.L./ Ihre Fotos zeichnen sich häufig dadurch aus, dass man weder Mensch noch Fahrzeug sieht. Sind Sie selbst gern alleine unterwegs?
S.B./ Es gibt schon zwei oder drei Tage, an denen ich sehr gerne ganz allein unterwegs bin, an denen auch das Handy aus ist und an denen man sich nur auf das Fahren konzentriert. Meistens bin ich aber doch mit Freunden unterwegs, weil es am meisten Spaß macht.
Das Konzept ohne Mensch und Auto erklärt sich dadurch, weil jeder die Landschaft im Regelfall für sich alleine haben will – das ist auch bei den Werbungen für alle möglichen Tourismusdestinationen der Fall.
Für uns werden jedoch keine Straßen gesperrt. Ich bin viel im Mai und Juni unterwegs, wenn noch nicht so viel los ist und im September und Oktober nach den Ferien – und dann immer sehr früh am Morgen oder abends. Dann sind auch die Lichtverhältnisse am besten. Oft warten wir einfach, bis die Straßen leer sind. Wenn es gar nicht anders geht, retuschieren wir im Notfall auch mal einen langsam zuckelnden Postbus raus.
„Ich habe viele Kindheitserinnerungen an die Gegend, weil ich dort immer Skifahren und Snowboarden war.“
L.L./ Sie haben die Flexenpassstraße in Zürs und den Arlbergpass abgelichtet. Wie fotogen ist die Region? Welche Besonderheiten sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
S.B./ Ich habe viele Kindheitserinnerungen an die Gegend, weil ich dort immer Skifahren und Snowboarden war. Die Flexenpassstraße hat mich sehr überrascht und war vom Heli aus wirklich eine Offenbarung. Von früher hatte ich ihn eher wegen der Staus in Erinnerung. Er ist sehr lang und man benötigt ein Weitwinkelobjektiv, damit er komplett auf ein Bild passt. Was mich in der Gegend noch beeindruckt hat: das Hahntennjoch. Dieser Pass ist komplett unterschätzt und ich selbst habe ihn erst vor zwei Jahren entdeckt. Mit ihm starte ich jedes Jahr in die Saison, denn für mich ist das eine der schönsten Straßen, die es gibt. Aber auch die Silvretta-Hochalpenstraße ist sehr schön. Die Gegend ist generell toll, gerade weil sie hochalpin ist.
L.L./ Im Sommer findet in Lech Zürs erneut die Arlberg Classic Car Rally statt und führt Oldtimerfans 600 Kilometer durch alpine Traumkulissen. Haben Sie selbst schon einmal daran teilgenommen?
S.B./ Das ist, um ehrlich zu sein, not my cup of tea. Ich finde es schön, wenn Leute daran Spaß haben und ich habe es mir auch schon mal angesehen. Ich selbst würde jedoch nicht mitfahren, denn ich bin lieber mit wenigen guten Freunden unterwegs und komme dann in einen Flow. Ich fahre wirklich lieber alleine oder in einem kleinen Team – und das antizyklisch. Häufig sind wir im Mai und Juni unterwegs, starten um fünf Uhr in der Früh und kommen zurück, wenn die anderen gerade erst aufstehen. Solche Rallys sind aber natürlich wahnsinnig schön anzusehen.
„Der Flexenpass ist eine meiner schönsten Bildserien geworden.“
L.L./ Im April 2018 veröffentlichten Sie Ihr neues Buch Cars & Curves – A tribute to 70 years of Porsche. Wie sieht es zukünftig aus – feilen Sie bereits an neuen Projekten?
S.B./ Ich habe einiges im Hinterkopf. Wir haben letztes Jahr eine Monographie über das Stilfser Joch über 450 Seiten gemacht. Diese Passstraße ist für mich ein Meisterwerk der Architektur, die 200 Jahre alt ist und worüber es eigentlich keine Dokumentation gibt. Die Leute fahren da hoch, essen ein Würschtel und wissen dabei gar nicht, worauf sie eigentlich unterwegs sind. Hier wollte ich ansetzen und wir haben über zwei Jahre am Buch gearbeitet, das am Ende ganz fantastisch geworden ist.
Dieses Jahr waren wir am Großglockner und machen nun darüber eine Monographie. Außerdem wird 2018 auch ein Curves Mallorca erscheinen, denn hier hat sich viel getan und die Insel erfindet sich gerade neu. Nächstes Jahr geht es auf alle Fälle in die USA und nach Norwegen. Und auch Japan, Neuseeland, Südamerika, Korsika, Sardinien und die bayerische Alpenstraße stehen auf der Agenda. Ein Mischmasch aus Fernweh und Heimat.
Und auch Bücher, die in Kooperation mit Porsche entstehen, wird es die nächsten Jahre geben. Ich bin ein großer Fan der Marke und hier gehen uns die Ideen einfach nicht aus.
Wordrap
Mit der Bergwelt verbindet mich? Die Berge sind wie eine Steckdose für mich, hier lade ich meine Akkus auf.
Sommer oder Winter zum Fotografieren? Wenn es um Straßen geht, dann natürlich Sommer beziehungsweise Frühling und Herbst. Aber ich habe auch ein Buch über Straßen im Schnee veröffentlicht. Das ist mein persönliches Lieblingsbuch, denn es hat den höchsten künstlerischen Ansatz.
Fahrrad, Motorrad, Auto – damit bin ich am liebsten unterwegs? Porsche 911, bestes Interface ever.
Curves in drei Worten: Freiheit, Freunde und eine gute Zeit.
Ein Roadtrip gibt mir ... tolle Erinnerungen.
Dieses Auto ist mein All-time-favourite: Der Porsche 906, ein Rennwagen, den man noch von der Carrerabahn kennt. Er ist wie ein Origami mit Motor – besser geht’s nicht.
Die Pyrenäen ... sind eine Destination, die mich am meisten überrascht hat.
Inspiration finde ich ... in der Kunst.
Stefan Bogner, geboren 1968 in München, gründete nach seinem Studium des Industrial Designs mit zwei Partnern das Designbüro fpm (factor product münchen) und arbeitete in dieser Zeit als Geschäftsführer und Creative Director mit renommierten Firmen wie Porsche und Alois Dallmayr – seine Arbeiten wurden mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. 2011 launchte er das Special-Interest-Magazine Curves, das seit 2013 mit Porsche einen starken Partner hat. 2016 folgte die Gründung von Stefan Bogner Creative Studios, mit denen sich der Münchner zudem auf die Branchen Automotive, Travel, Food und Hospitality konzentriert.