Aufbruchstimmung
Interview mit Hotelier und Obmann des Tourismusverbands Salzburger Altstadt Andreas Gfrerer
Wenn Andreas Gfrerer gerade nicht in seinem Arthotel Blaue Gans zu finden ist, verbringt er die Zeit gerne auf den Märkten der Salzburger Altstadt, lässt sich von den Produkten inspirieren und freut sich über die vielen Begegnungen mit bekannten und unbekannten Gesichtern. Er ist ein Networker – was ihm auch als Obmann des Tourismusverbands Salzburger Altstadt zu Gute kommt. Ein Interview über seine Leidenschaft zu Kultur und Küche, seine Vision von Salzburg und die Gemeinsamkeit von Mozartkugel und Ganserlsalami.
„Mein Schicksal hat mich in die Branche gebracht.“
L.L. / Sie schauten sich schon als Kind die Karajan-Generalproben an – Kunst und Kultur begleitet Sie sozusagen schon das ganze Leben. Ist das der Grund, warum Sie in dieser Hinsicht in Salzburg so aktiv sind?
A.G. / Ja, wahrscheinlich schon. Mein Schicksal hat mich in die Branche gebracht – nämlich in Form unseres Hotels, der Blauen Gans, das meine Eltern früher aber nicht selbst betrieben haben. Als der damalige Pächter nicht mehr weitermachen konnte, entschied ich mich dazu, aus den USA zurückzukehren, wo ich damals studierte, und das Haus zu übernehmen. Über die Jahre habe ich dann ein Hotel aufgebaut, das 2002 zu einem Kunsthotel wurde, weil ich nicht nur in der Vergangenheit leben wollte. Kunst und Kultur hatten in meiner Familie schon immer einen hohen Stellenwert.
Gleichzeitig zu unserem Kunsthotel entstand auch das Museum der Moderne. Salzburg war damals in einer Aufbruchsstimmung, wurde stückweise moderner. Das neue Konzept als Arthotel haben wir aber weniger aus Kalkül etabliert, ich fand die Idee einfach passend zum Haus – und vor allem wollte ich mich mit Kunst umgeben.
„Kunst und Kultur hatte in meiner Familie schon immer einen wichtigen Stellenwert.“
L.L. / Wie kam die Kunst schließlich in die Blaue Gans?
A.G. / Anfänglich habe ich direkt mit Künstlern zusammengearbeitet, heute habe ich ein verlässliches Netzwerk von Beratern und „Partners in Crime“. Und die Sammlung wächst stetig! Es geht mir darum, eine persönliche Beziehung zu Künstlern aufzubauen, vielleicht entsteht Faszination oder gar Sympathie, und eventuell bleibt etwas zurück – ein positiver Gedanke, eine Erinnerung, im besten Fall ein Kunstwerk. Im Grunde ähnlich wie bei einer Gast-Hotelier-Beziehung. Manche Bilder kennzeichnen auch Stationen meines Lebens, beispielsweise meine Hochzeit. Und ich freue mich jeden Tag über dieses Bild, es bereichert den Alltag. Oft sind es die Bilder, die mich finden. So hat das Haus etwas sehr Persönliches. Unsere Kunst will nicht a priori provozieren, sie ist vielmehr oft ironischer Begleiter. Hier wird Kunst gelebt, das ist unser Anspruch.
„Köche sind für mich Handwerker.“
L.L. / Die Blaue Gans ist nicht nur Arthotel, sondern war auch das erste Gasthaus der Stadt – auch heute wird dort noch der Genuss zelebriert. Sind Köche auch Künstler?
A.G. / Köche sind für mich Handwerker und das ist etwas ganz Wunderbares! Ich glaube, dass der Begriff Kochkunst ein Missverständnis ist. Es gibt eine sehr artifizielle Küche, die gut zum Zeitgeist passt, aber nicht zu unserem Haus. Das handwerkliche Können hingegen ist im Haus vielfältig vertreten, denn hier ist nichts von der Stange, sondern nach Maß gefertigt. Und das spiegelt unsere Küche wider, denn wir verwenden sehr gute Grundprodukte, deren Essenzen auf dem Teller zu finden sind. Wir haben das älteste Gasthaus der Stadt und dem wollen wir Rechnung tragen. Deshalb möchten wir kein elitärer Tempel sein, sondern sind sehr niederschwellig und offen. Historie und Moderne, Klassik und Jazz: Mit unserem Konzept spielen wir auf der gesamten Klaviatur, die das Haus zu bieten hat.
„Wir haben das älteste Gasthaus der Stadt und dem wollen wir Rechnung tragen.“
L.L. / Um die Kulinarik geht es auch bei den verschiedenen Events in der Altstadt. Gerade fand das Jazz & The City Festival statt, für März 2019 ist erneut das Eat & Meet Kulinarikfestival geplant. Inwiefern machen Events wie diese die Stadt attraktiver?
A.G. / Jazz & The City ist aus den Betrieben heraus erstanden und deshalb einzigartig. Damals gab es einen Jazz-Herbst, den man durch weitere Veranstaltungen ergänzen wollte. Dabei ging es immer darum, dass die Stadt bespielt wird, und nicht darum, Stars hierher zu locken. Die Locations sind so vielfältig, dass man sich treiben lassen sollte. Das ist neben der Musik das Spannende und der Grund, warum die nationalen und internationalen Besucher es so lieben. Sogar viele Künstler bleiben mittlerweile gerne länger. Das Festival ist ein großer Beitrag zur urbanen Qualität und dank des freien Eintritts ein Geschenk an die Bevölkerung.
Das Eat & Meet Kulinarikfestival soll den ruhigen März beleben und das Gespräch in den Mittelpunkt rücken. Wir laden dazu immer jemanden ein, der etwas zu erzählen hat. Sinnlich wird es dann durch die Speisen, die serviert werden – so entsteht eine Tischgemeinschaft. Das sind sehr gefragte Abende ... mittlerweile. Der Salzburger ist ein schwieriger Gast. Aber wenn man ihn einmal hat, bleibt er treu – vorausgesetzt, man liefert gleichbleibend hohe Qualität.
„Das Eat & Meet Kulinarikfestival soll das Gespräch in den Mittelpunkt rücken.“ „Salzburg ist in den letzten 20 Jahren definitiv lebenswerter geworden.“
L.L. / In der Speisenmanufaktur kann man die handgemachten Erzeugnisse des Hauses kaufen und mit nach Hause nehmen. Welches Produkt stiehlt als Mitbringsel jeder Mozartkugel die Show?
A.G. / Ich verehre Mozart zu sehr, um ihn werblich auszubeuten (lacht). Aber natürlich haben auch wir einen Mozartbezug, denn das Haus gehörte einem guten Freund von ihm. Die Speisenmanufaktur ist aus traditionellem Handwerk entstanden, das unser grandioser Küchenchef Martin Bauernfeind hegt und pflegt. Eine Alternative zur Mozartkugel war das Schokoladengeschäft Zotter, das wir im Haus hatten. Zotter ist eine Firma, deren Philosophie wir teilen. Heute kann man in den Räumlichkeiten dem Team der Speisenmanufaktur über die Schultern schauen – und das macht hervorragende Ganserlsalami, in der – wie in der Mozartkugel – Pistazie zu finden ist (lacht).
L.L. / Die Salzburger Altstadt ist stetig im Wandel. Wie hat sich die Region in den letzten Jahren gewandelt? Und welche Vision verfolgen Sie für die Destination?
A.G. / Sie ist moderner, urbaner und offener geworden. Auch wirtschaftlich gibt es eine andere Dynamik, die zeitweise vielleicht auch überfordern kann. Salzburg ist definitiv lebenswerter geworden, aber da ist noch viel Luft nach oben. Wir haben eine hohe Qualität, aber manchmal fehlt es uns an Selbstvertrauen und Mut, kompromisslos auf diese Stärken zu setzen. Kante zeigen, dabei flexibel sein, schnell reagieren, Improvisationstalent, das sind die Werkzeuge eines modernen Gemeinwesens.
Als Andreas Gfrerer das Hotel Blaue Gans übernahm, wollte er unbedingt etwas ändern – also eröffnete er es 2002 als Arthotel neu. Heute ist das Haus nicht nur Begegnungsort für Kunstliebhaber, auch mit der ausgezeichneten Küche hat sich die Blaue Gans einen Namen gemacht. Als Obmann des Tourismusverbands Salzburger Altstadt setzt sich Gfrerer außerdem für kulturelle Vielfalt in der Stadt ein.