Angekommen, mitten im Winter
Interview mit Gregor Hoch, Geschäftsführer vom Hotel Sonnenburg in Oberlech
Die Erfolgsgeschichte der Sonnenburg in Oberlech beginnt 1938 als Schutzhütte mit 35 Betten. Knapp 80 Jahre später entwickelte sich die einstige kleine Unterkunft zum familienfreundlichen Vier-Sterne-Superior-Hotel mit 70 Zimmern, Konferenzzentrum, Wellnessbereich und Bibliothek. Auch wenn sich über die Jahre vieles verändert hat, wird hier Herzlichkeit und Gastfreundschaft seit Anbeginn jeden einzelnen Tag gelebt. Im Interview mit La Loupe sprach Gregor Hoch, Geschäftsführer der Sonnenburg, über die Umgestaltung des Traditionshotels und seine Leidenschaft zum Mittelalter.
„Der Sommer ist schwierig, wie wohl in allen Wintersportdestinationen.“
L.L. / Die Lage der Sonnenburg ist einzigartig – die Skipiste führt direkt am Vier-Sterne-Superior-Hotel vorbei, das 1938 Ihr Großvater Otto als kleine Schutzhütte kaufte. Denken Sie, er hat damals schon geahnt, welches Potenzial Oberlech als einzigartige Wintersportdestination besitzt?
G.H. / Er hat es gehofft und hart dafür gearbeitet. Er gründete die Skilifte Lech, die Seillifte Oberlech, das Haus Montana und die Sonnenburg. Er war wirklich Pionier der ersten Stunde. Otto hat das Potenzial sicher gesehen, er wäre aber wohl trotzdem überrascht, wie sich Oberlech entwickelt hat. Es würde ihn bestimmt glücklich machen.
L.L. / Wie sehen Sie den Sommer in Oberlech?
G.H. / Der Sommer ist schwierig, wie wohl in allen Wintersportdestinationen. Skifahren ist ein sehr dominantes Thema, ein ähnliches müssten wir für den Sommer erst entwickeln. Ein wichtiger Schritt wäre, den Sommer in Oberlech zum großen Teil autofrei zu bekommen. Dadurch hätten wir sicher einen sehr großen Vorteil.
„Man muss seine Aufgabe mit viel Herzblut erfüllen.“
L.L. / 2004 übernahmen Sie von Ihren Eltern Daisy und Klaus Hoch die Führung des Hotels Sonnenburg. Obwohl Sie aus einer Hotelleriefamilie stammen, betonen Sie doch immer wieder, dass das Metier keines ist, das in den Genen liegt. Hatten Sie zuerst ganz andere Berufsvorstellungen?
G.H. / Ich habe zunächst in einer Bank gearbeitet und viele verschiedene Studiengänge ausprobiert – zum Beispiel Astronomie und technische Mathematik. Meinen universitären Abschluss habe ich dann in internationaler BWL gemacht. Ich bin davon überzeugt, dass der Berufswunsch reifen und sich entwickeln muss. Nach einer langen Zeit in vielen anderen Betrieben bin ich 2004 gerne Nachhause gekommen – aber auch im Wissen, dass ich es nicht müsste und es auch andere Karrieremöglichkeiten gäbe. Man tut der Übergeber- und Übernehmer-Generation nichts Gutes, wenn schon in Stein gemeißelt ist, dass der Erstgeborene das Haus eines Tages übernehmen muss. Beide Generationen müssen diese Entscheidung treffen und dahinterstehen. Meiner Ansicht nach ist familiärer Druck hier fehl am Platz.
Der positive Aspekt ist, dass die Hotellerie viele Möglichkeiten bietet – es muss aber eine Gastgeberfunktion geben. Wer das macht, ist nicht so wichtig, sei es der Barchef oder der Seniorchef. Wichtig ist nur, dass alle Positionen gedeckt sind. Manche fühlen sich im Controlling zuhause, andere im strategischen Marketing oder beim Gast. Man muss seine Aufgabe mit viel Herzblut erfüllen. Der persönliche Einsatz ist in der Ferienhotellerie sehr wichtig, denn gerade in Wintersportdestinationen möchten viele Gäste eine familiäre Atmosphäre.
„Es ist immer wieder erstaunlich, welch großartige Handwerker in der Umgebung zu finden sind.“
L.L. / Im Dezember 2016 beenden Sie Ihren Umbau im Stammhaus der Sonnenburg. Welche Prinzipien verfolgen Sie bei den Renovierungsarbeiten und auf welche Neuerungen darf man sich freuen?
G.H. / Wir hatten in der Vergangenheit das Problem, dass die Sonnenburg sehr, sehr unterschiedliche Zimmer besaß. Es gab zehn Zimmerkategorien, jedes einzelne Zimmer war ein Prototyp. Meine Frau Waltraud und ich haben den Umbau aus verschiedenen Gründen gewagt. Zum einen wollten wir weniger Kategorien – die Zimmer sollten sich zwar unterscheiden, mussten aber innerhalb der Kategorie sehr ähnlich sein. Dann war es uns wichtig, dass die Sonnenburg trotzdem die Sonnenburg bleibt. Wir haben nach wie vor viel Holz und heimische Materialien verwendet. Die hohe Qualität führt dann zu einem hochwertigen, runden Produkt. In die Zimmer ist sehr viel Liebe und Leidenschaft geflossen. Waltraud hat über jeden Türgriff und jede Schwelle nachgedacht und am Ende sind Räume entstanden, die sowohl für Gäste als auch für uns gut funktionieren. Außerdem soll der Gast etwas in den Zimmern lernen und so planen wir beispielsweise, an den Fenstern QR-Codes anzubringen, durch die man etwas über die Landschaft erfahren kann. Die Tapeten sind bedruckt mit Pflanzen aus der Region, inklusive Bezeichnung. So kann man ganz nebenbei das Wissen erweitern – über die Sonnenburg und die Umgebung.
Umgestaltet werden bis Dezember nur die Zimmer, die öffentlichen Räume bleiben gleich. In zwei Jahren wird es die nächste Bauphase geben, in deren Rahmen diese Räumlichkeiten renoviert werden. Das wird aber von der Komplexität sehr viel einfacher.
„Wir haben uns das Thema Bildung auf die Fahne geschrieben.“
L.L. / Geölte Eiche, dunkles Walnussholz und Waschtische aus grünem Naturstein. Edle Materialien treffen auf traditionelle Handwerkskunst. Was schätzen Sie an der Partnerschaft mit den Fachleuten aus der Region?
G.H. / Es ist immer wieder erstaunlich, welch großartige Handwerker in der Umgebung zu finden sind. Wir sind sehr froh um die Menschen, die uns mit Hirn und Hand sehr professionell unterstützen. Einige Dinge kann man aufgrund von fehlendem Fachwissen selbst nicht umsetzen. Umso wichtiger ist es dann, auf Fachleute zu vertrauen. Die meisten kommen aus Vorarlberg und Tirol. Die Qualität der Ausführung ist bei heimischen Fachleuten einzigartig und man freut sich, wenn auch die Region dadurch gestärkt wird. Logistisch gesehen ist es außerdem wichtig, dass die Handwerker für spätere Probleme greifbar sind und die Anforderungen und die Situation hier kennen.
„Unsere Trainer sind großartig und sogar weltspitze.“
L.L. / Woher kam die Inspiration für die Umgestaltung?
G.H. / Waltraud und ich haben beide ein großes Faible für Bücher, Literatur und Dinge, die dem Geist Spaß machen. Wir befragten außerdem Mitarbeiter und Gäste. Die Entscheidung trifft letztendlich aber doch der Unternehmer, denn in manchen Fällen können Gäste bestimmte Vorstellungen und Fortschritte anfangs nicht so gut nachvollziehen. Letztendlich müssen wir hinter den Entscheidungen und Produkten stehen. Da Waltraud und ich sehr neugierige Menschen sind, haben wir uns das Thema Bildung auf die Fahne geschrieben.
„Ich finde es sehr spannend, eine gänzlich andere Sicht auf die Dinge zu entwickeln.“
L.L. / Nicht nur Ihre Mitarbeiter kommen in den Genuss von regelmäßigen Fortbildungen, sondern auch Ihre Gäste können unter dem Credo „Berge von Wissen“ beispielsweise an Yoga- oder Malkursen teilnehmen. Wie wichtig ist es heutzutage, sich neben Entspannung und Skifahren geistig und kreativ weiterzubilden?
G.H. / Ich halte es für sehr wichtig und wir versuchen auch selbst, dies in unseren Urlauben umzusetzen. Wir bringen Gästen Wissen nahe, das nicht sofort anwendbar, dafür aber mühelos und mit Spaß erlernbar ist. Von Fechtseminaren bis Schreibwerkstätten und Selbstverteidigung für Kinder – wir haben ein sehr, sehr breites Spektrum und unsere Trainer sind großartig. Wir versuchen, ein Programm zu bieten, in dessen Genuss man sonst nicht so leicht kommt. Unsere Kurse sind natürlich auch für alle Gäste der Region und für Einheimische offen.
„Dichte und intensive Kommunikation ist die einzige Möglichkeit, etwas in einem Unternehmen zu bewegen.“
L.L. / Auf dem Programm steht auch mittelalterlicher und renaissancezeitlicher Schwertkampf. Ein doch eher ungewöhnlicher Zeitvertreib. Wie kam der Schwertkampf an den Arlberg und in Ihr Hotel?
G.H. / Ich bin in einem Fechtverein und habe mich immer für dieses Thema interessiert. Geschichte fand ich schon immer spannend. Eines Tages stand ich in einem Geschäft und habe mir den Klappentext von einem Buch über mittelalterlichen Schwertkampf durchgelesen und habe dabei festgestellt, dass der Herausgeber, ein Fechtverein, in Dornbirn seinen Sitz hat. Ich bin dorthin gefahren und habe mir den Verein angesehen – seitdem bin ich auch Mitglied. Natürlich steht der Schwertkampf im Vordergrund, wir machen aber auch Quellen- und Rekonstruktionsarbeit. Man versucht wirklich intensiv, in die Materie einzutauchen. Da mich das Thema selbst interessiert, habe ich den Schwertkampf auf die Sonnenburg geholt. Die Kurse machen uns Spaß und wir nehmen auch selbst daran teil.
L.L. / Auch privat haben Sie eine Leidenschaft für das Mittelalter. Was fasziniert Sie am „dunklen Zeitalter“?
G.H. / Ich finde es sehr spannend, eine gänzlich andere Sicht auf die Dinge zu entwickeln. Das Mittelalter war eine Zeit, in der sich sehr viel bewegt und verändert hat. Obwohl die damalige Zeit für viele Menschen wohl eher unschön war, finde ich es faszinierend, dass sie damals ähnliche Probleme zu lösen hatten wie heute – aber aus einem ganz anderen Verständnis heraus. Ich glaube, ein großes Problem der Gegenwart ist die Tatsache, dass Menschen nicht bereit sind, Beiträge zu leisten. Oft kommt die Frage: „Was bringt mir das?“ Diese Einstellung ist für sehr viele Probleme verantwortlich. Was man von damals sicher lernen kann, ist es, einen Beitrag zu leisten. Man hat eine gewisse Zugehörigkeit, sei es zu einem Dorf oder zu einer Familie, und deshalb ist es auch selbstverständlich, dass eine gewisse Arbeit geleistet wird. Dadurch fühlt man sich selbst gut und trägt zu einem größeren Ganzen bei. Das ist ein Gefühl, das wir auch in unserem Unternehmen ausleben. Unsere Angestellten sollen gerne hier arbeiten, das angenehme Klima schätzen und gemeinsam etwas Großes erschaffen.
Wir machen mit den Abteilungsleitern zahlreiche Workshops und versuchen, viel zu kommunizieren. Dichte und intensive Kommunikation ist die einzige Möglichkeit, etwas in einem Unternehmen zu bewegen. Wir haben Kick-off-Veranstaltungen am Anfang der Saison und versuchen, laufend nachzujustieren. Es gibt also einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten und an einem Strang zu ziehen hilft sehr. Stammmitarbeiter sind dabei natürlich ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg – aber wir freuen uns auch, wenn Mitarbeiter mit ihrem erlernten Wissen in die Welt hinausgehen.
„Hier ist man in einer Ruheoase und kann tatsächlich den Winter erleben.“
L.L. / Besonderheit des Hotels sind die Schneebilder Ihrer Mutter Daisy, die jedes Zimmer zum Unikat werden lassen und das Interieur der Sonnenburg prägen. Für sie ist Oberlech Inspirationsquelle und Ruheort. Warum kann man sich hier besonders gut fallen lassen?
G.H. / Man hat hier die Möglichkeit, mitten in der Natur zu sein, hat aber trotzdem alle Annehmlichkeiten eines Premiumurlaubs. Eine große Kraftquelle meiner Mutter sind fast tägliche Spaziergänge durch den Wald, um dabei die Ruhe der Natur zu genießen. Trotzdem ist es nicht so, dass sie permanent malen kann. Sie braucht auch Muse und Zeit dafür, die richtige Stimmung in der richtigen Situation. Wir sind sehr froh, dass wir die Bilder in der Sonnenburg hängen haben und dass sie nach wie vor die Galerie hier betreibt.
Einige Gäste sind zunächst skeptisch gegenüber Oberlech. Sie müssen das Auto in Lech lassen und mit der Seilbahn in den Urlaub fahren, sind also nicht mehr so mobil. Die meisten stellen dann aber schnell fest, dass sie es einfach nicht brauchen. Die Wege sind kurz, alles befindet sich in der Nähe. Man hat trotzdem die Möglichkeit, in drei Minuten, Tag und Nacht, nach Lech hinunterzufahren. Hier ist man in einer Ruheoase und kann tatsächlich den Winter erleben: es ist kalt, die Bäume sind schneebedeckt und man kann den Winter so richtig spüren. Das macht sicher viel aus.
L.L. / In Ihrem Restaurant verwöhnen Sie Gäste mit raffinierten österreichischen, aber auch internationalen Gerichten. Auch für Veganer, Vegetarier und Allergiker gibt es eine große kulinarische Vielfalt. Welche Gerichte schaffen es auf Ihre Karte?
G.H. / Wir haben einen österreichischen Schwerpunkt, mit internationalen Ausflügen. Für uns soll die Karte ein Gesamtkunstwerk sein. Es gibt Gerichte, die müssen auf die Karte: Wiener Schnitzel, Apfelstrudel, Kaiserschmarrn. Es gibt verschiedene Schwerpunkte und auch die Möglichkeit, vegan zu essen. Das wird sehr gut angenommen, viele Gäste probieren vegane Gerichte aus und sind dann begeistert. Und für Veganer ist es natürlich ein Traum. Viele möchten oder müssen ihre Ernährung einschränken und wir sind stolz darauf, dass wir auf jegliche Form der Unverträglichkeit eingehen können.
Vor zwei Jahren haben wir die Karte stark verändert, jetzt versuchen wir, sie im Wesentlichen beizubehalten. Es gibt viele Gäste mit Lieblingsgerichten, die sie gerne jedes Jahr essen möchten. So versuchen wir, eine gewisse Kontinuität zu bewahren.
„Für uns soll die Karte ein Gesamtkunstwerk sein.“
L.L. / Sie waren Präsident der ÖHV (Österreichische Hoteliervereinigung), heute sind Sie Vize. Man hat das Gefühl, der Tourismus in Oberlech floriert. Wie sehen Sie die Zukunft in der Region?
G.H. / Wir bieten hier gute Produkte, die gerne von der Welt gekauft werden. Das österreichische Preis-Leistungs-Verhältnis ist sensationell, auch in Orten wie Lech. Wir brauchen den internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Hier ist vor allem Positionierung das Zauberwort. Lech und Zürs hat sich als Premiumdestination für private Luxusmomente etabliert, das funktioniert hervorragend. Und das ist auch der Grund, warum wir hier noch erfolgreich Tourismus betreiben können. Aber jeder Betrieb muss kämpfen, um erfolgreich zu bleiben. Jeder hat sein Profil, mit dem er arbeiten muss. Die Chance für den Tourismus hier und auch generell zeigt sich darin, Qualitätsversprechen zu halten, sich gut zu positionieren und dem Gast eine Antwort zu bieten, warum man genau in diesem Hotel Urlaub machen sollte. Das ist der Weg, der vor uns liegt.
L.L. / Immer mehr Menschen verbringen ihren Winterurlaub am Arlberg, die Zahl der Nächtigungen steigt stetig. Wenn die Saison vorbei ist, wohin fährt die Familie Hoch dann am liebsten in den Urlaub?
G.H. / Dieses Jahr haben wir die Entscheidung gefällt, Europa genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir möchten in den nächsten Jahren gemeinsam mit den Kindern unsere europäische Heimat besser kennenlernen. Das wird sicher ein mehrjähriges Projekt!
Wordrap
Dieses Andenken erinnert immer noch an die Anfänge der Sonnenburg 1938: Ein alter Bilderrahmen mit Tickets der Bergbahn seit deren Beginn – ein schönes Zeichen meiner Ahnen.
Freier Bürger oder Fürst (Verkleidung auf Mittelalterfesten)? Einfacher Mann.
Mein Tipp für die kommende Skisaison am Arlberg: Ich bin sehr gespannt auf die neue Skigebietsverbindung nach St. Christoph. Das wird sicher auch technisch und architektonisch spannend.
Was erwartet uns mit der neuen Oberlechbahn? Sie wird größer sein, die Wartezeiten verringern und den Gästen das Gefühl geben, mit der Seilbahn in den Urlaub zu fahren.
Dieses Getränk empfehle ich bei einer kurzen Skipause auf unserer Sonnenterrasse: unseren mit Fruchtsaft gesüßten Eistee.
Nach einem langen Skitag: Après-Ski oder finnische Sauna? Ein Glas mit Freunden und danach folgt die Entspannung.
Das hilft gegen den Muskelkater am nächsten Tag: Weiter Sport zu treiben.
Seit Dezember 2004 führt Gregor Hoch gemeinsam mit seiner Frau Waltraud das Vier-Sterne-Superior Hotel Sonnenburg in Oberlech, das er von seinen Eltern Klaus und Daisy Hoch übernahm. Unter dem Motto „Berge von Wissen“ gliederte Gregor Hoch ein großzügiges Konferenzzentrum an das Hotel an und veranstaltet zahlreiche Workshops und Seminare. Mit 70 Zimmern gehört die Sonnenburg zu den größten Häusern im Raum Lech-Zürs.