Am Ende entscheidet immer der Geschmack
Interview mit Andreas Kaiblinger
Seit 2004 gehört das Restaurant Esszimmer zu den Top-Adressen Salzburgs. Hier verwöhnt der Chefkoch, Buchautor, Blogger und Kochlehrer Andreas Kaiblinger seine Gäste auf höchstem kulinarischen Niveau in einer anspruchsvollen Atmosphäre. Eigentlich hat der Restaurantchef keine Zeit, doch für ein Interview mit La Loupe reißt er sich kurz von seinen Pflichten los und das Gespräch endet erst, als die ersten Abendgäste in der Tür stehen.
L.L./ Das Esszimmer ist Teil eines Zuhauses – was soll Ihr Gast als Gastgeschenk mitbringen? Erfahrung oder Neugierde?
A.K./ Optimal wäre natürlich beides. Mit der Neugierde ist das so seine Sache: Ab einem gewissen Preisniveau selektiert man ja automatisch ein wenig. Genussfähigkeit ist jedoch etwas, worauf man sich einlassen muss – unabhängig vom Preis. Beispiel: Wenn ich mir Sachen leiste, weil ich es kann, jedoch keine Freude dabei empfinde, hat es seinen Reiz bereits verloren. Genauso ist es beim Essen. Wenn man das Geld hat, sich aber nicht auf die Speisen vor einem und die ganze Atmosphäre konzentrieren kann, wird der Besuch zu etwas Belanglosem.
Wir haben immer mal wieder sogenannte 'Etikettentrinker', die ein künstliches Muss erfüllen, ohne auf den Preis zu achten, jedoch sind wir nicht die Instanz, die vorschreibt, was zu tun ist. Wir sehen uns eher als Leitfaden in einem geschützten Raum, wo der Gast sich mit allen Sinnesorganen entfalten kann. Sehen, riechen, fühlen, hören und vor allem schmecken. Der Gast kommt und, wenn er geht, soll er glücklich sein!
L.L./ Sie haben viel Erfahrung, das Esszimmer ist seit 2004 in Ihren Händen. Was waren Ihre Schlüsselmomente, um Ihren Stil zu finden und den Weg der hohen Kochkunst einzuschlagen?
A.K./ Da werde ich mal ein wenig weiter ausholen (lacht): Angefangen von meiner frühen Kindheit, wo ich nicht bei Mama in der Küche gestanden bin, um ihr beim Kochen zuzuschauen. Sondern vielmehr meine Nachmittage auf dem Bolzplatz beim Fußballspielen verbracht habe. Ich war eher ein mäßiger Schüler, wobei meine Eltern schon Angst hatten, dass aus dem Burschen nie etwas Gescheites wird.
Dann habe ich die Hotelfachschule angefangen und siehe da: Mein erster Schlüsselmoment – bei meinem ersten Praktikum hatte ich einen tollen Küchenchef, der auch ein guter Pädagoge war. Man kann sagen, ich bin in die Sache reingerutscht. Im Laufe der Zeit gab es immer mal wieder solche zufälligen Begegnungen, die mir das Metier nähergebracht haben. Es hat sich sozusagen sukzessiv bei mir entwickelt.
So eröffnete ich 1996 mit meiner ersten Frau ein kleines Lokal mit gerade einmal sechs Tischen und ziemlich einfachen Gerichten. Überraschenderweise wurden wir mit einem Stern bedacht. Und auch wenn es sich, sowohl privat als auch beruflich, dann anders entwickelt hat, kann man sagen, dass dieses Abenteuer den Grundstein gelegt hat.
L.L./ Sie arbeiten im Team mit Ihrer Frau zusammen, haben einen Kochblog „Essen Lieben“ und schreiben Kochbücher.Kochen ist eindeutig Ihre Passion, aber was wollen Sie mitteilen oder weitergeben? Soll man sich fokussieren und seine Sache nicht nur gut, sondern besser machen?
A.K./ Nur ums Kochen geht es mir schon lange nicht mehr. Jeder, der sich ein wenig auskennt in der Branche, weiß, dass viele Menschen gut kochen können. Ist die Küche gut, der Service aber schlecht, führt das zu nix. Punkt. Der Blog ist aus einer persönlichen Geschichte entstanden, die wir dann einfach zu Papier gebracht haben. Ich liebe meinen Beruf und ich verspüre keine Langeweile, dennoch gibt es so viel mehr als nur kochen. So habe ich den Boxsport für mich entdeckt. Das hat meinen Horizont unheimlich erweitert. Es geht nicht darum, ständig neuen Trends hinterher zu laufen, sondern seine eigene Linie zu verfolgen. Ich habe meinen Weg gefunden.
L.L./ Gerne kann man auch von Ihnen lernen – nämlich das Kochen! Wie läuft dieser Kurs ab? Zusehen und lernen oder selbst Hand anlegen?
A.K./ „Kochen mit Andreas“ sind eher konspirative Treffen mit Kulinarik on Top. Klar können die Teilnehmer viele Fragen stellen, die ich meistens auch alle beantworten kann. Es geht aber eher um das Zusammensein. Wir setzen uns mit den Leuten nett zusammen, essen das, was wir gekocht haben und trinken gemeinsam bei netten Gesprächen. Ich sage immer: Sie kommen als Kunden und gehen als Freunde. Beim Kochen soll es nicht nur um das Kochen und die Speisen gehen, sondern hauptsächlich um das Zusammensein.
L.L./ Salzburg ist Genießerland – kulturell, aber auch kulinarisch. Wieviel Salzburg steckt in Ihnen?
A.K./ Wenn man mit offenen Augen durch die Stadt geht, erkennt man das Privileg, das man hat, hier zu leben. Salzburg hat einfach alles. Es ist ein mystischer Ort. Es steckt wahnsinnig viel Salzburg in mir.
Weniger trendy, dafür aber umso authentischer, ist Spitzenkoch Andreas Kaiblinger. Seit langer Zeit einer der besten Köche Österreichs, steht der Salzburger nie still. Neben seiner Leidenschaft zum Kochen startete er als erster Sternekoch im Land einen eigenen Foodblog – „Essen Lieben“ – und gab sein Debüt als Buchautor. Zudem inspiriert der Inhaber des Restaurants Esszimmer regelmäßig die Teilnehmer seines Kochkurses „Kochen mit Andreas“. Dabei geht es ihm beim Kochen aber nicht darum, Neues zu erfinden, sondern Dinge neu zu entdecken. Immer unter der Prämisse: Qualität und Genuss sind das Wichtigste. Bei all dem Lob und dem guten Ruf ist Andreas Kaiblinger bodenständig geblieben und sieht die Passion des Kochens als das, was es ist: eine Leidenschaft, die nur mit gutem Service funktioniert.